Der vor fünf Jahren provisorisch mit Raubäumen und Baumbunen erfolgreich verbaute Uferabschnitt. Die Sicherung des Dammes müsste ergänzt werden. Ein Aufbruch des Dammes für die Revitalisierung brächte grosse Risiken für die Trinkwasserversorgung.

Präsentation des Geologen Hans Rudolf Keusen vom 31. Januar 2023 für die Begleitgruppe „Uferweg Wehrliau-Aarebad“. Hauptthema waren die Gefahren für die Trinkwasserfassung Wehrliau, die eine Revitalisierung der Aare in diesem Raum mit sich bringt:


Wehrliau-Revitalisierung und Trinkwasserschutz: geht das zusammen?

In der Diskussion um den Aareweg und die Gestaltung des Ufers im Gebiet Wehrliau-Muribad haben die Gemeinde und der Kanton einen «Kompromissvorschlag» mit Steg präsentiert, der von gewissen Kreisen bereits als «Bestlösung» kommentiert worden ist (siehe LoNa vom 20. Oktober 2022, S. 14). Dieses voreilige Urteil lässt wichtige Fakten ausser Acht.

Die vorgesehene Öffnung der Aare im Gebiet der Gonzenbachgiesse liegt in der engeren Schutzzone S2 der Trinkwasserfassungen Wehrliau. Diese Anlage, welche eine konzedierte Förderleistung von 18’600 Liter/Minute aufweist, gehört zu den wichtigsten Wasserfassungen im Kanton Bern mit einer überregionalen, d.h. nationalen Bedeutung. Durch die gegenwärtig in Bau befindlichen Verbindung mit den linksufrigen Wasserfassungen im Selhofenzopfen gewinnt diese Gesamtanlage noch mehr an Bedeutung. Der weitere Ausbau anderer Fassungsgebiete in der Region kann zudem wegen erfolgten Auenrevitalisierungen und zu geringer Ergiebigkeit nicht wie gewünscht realisiert werden (z. B. Belpau). Die Fassungen Wehrliau sind damit standortgebunden und es gibt keine Möglichkeiten, sie zu ersetzen. Es gilt, zu diesen für Muri und den Grossraum Bern wichtigen Trinkwasserfassungen grösste Sorge zu tragen.

Die Grundwasserverhältnisse in der Wehrliau sind geprägt durch grosse Durchlässigkeiten und Fliessgeschwindigkeiten. Entsprechend gering ist die Filterwirkung. Die Fassungen nutzen Aareinfiltrat und sind gegen Verschmutzungen exponiert. Zudem ist die Aare bei Hochwasser durch mehrere einmündende Kläranlagen belastet. Zum Schutz der Trinkwasserfassungen wurden Schutzzonen ausgeschieden. Obschon die Schutzzonenauflagen heute (bzw. seit jeher) durch den Parkplatz und die Gonzenbachgiesse verletzt werden, ist die Situation «stabil», was auch die Verantwortlichen des Wasserverbundes Region Bern bestätigen. Diese Stabilität ist auf intakte, biologisch hochaktive Schutzschichten, zurückzuführen. Revitalisierungen, welche diesen Schutz zerstören würden, sind in der engeren Schutzzone S2 verboten. Die geplante Aufweitung der Aare würde diese Verbote verletzen und die bestehenden Trinkwasserfassungen gefährden.

In der Wehrliau treffen zwei Interessen von nationaler Bedeutung aufeinander: der Auenschutz und der Trinkwasserschutz. Revitalisierung kann an vielen Orten entlang der Aare betrieben werden. Trinkwasserfassungen von nationaler Bedeutung gibt es hingegen nur an ganz wenigen, dazu geeigneten Stellen. Die rechtlichen Vorgaben wie auch die Empfehlungen des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfachs (SVGW) zeigen korrekt auf, wie bei solchen Konflikten zu verfahren ist. Der SVGW spricht sich, gestützt auf negative Erfahrungen bei Revitalisierungen in der Nähe von Grundwasserfassungen, klar für eine Priorisierung des Trinkwasserschutzes aus.

Von Gemeinde und Kanton wurde die offensichtliche Gefährdung der Trinkwasserfassungen Wehrliau bisher zu wenig beachtet. Dies ist unverständlich. Die Ergebnisse der vom Wasserverbund Region Bern in Auftrag gegebenen hydrogeologischen Untersuchungen, sind noch nicht abgeschlossen. Solange diese nicht auf dem Tisch liegen, kann es nicht angehen, «Lösungen» zu präsentieren. Es scheint zudem wenig wahrscheinlich, dass die erforderlichen hydrogeologischen Abklärungen zum Schluss kommen werden, die vorgesehene Aufweitung der Aare für die standortgebundenen Trinkwasserfassungen sei unbedenklich und die früher ausgeschiedene Schutzzone sei damals zu gross bemessen worden. Daher muss bereits heute ein Plan B bereitgestellt werden: z.B. die Verbauung des erst provisorisch mit Raubäumen gesicherten Uferabschnitts. Gefordert sind ein sachlicher Diskurs und eine vorurteillose Abwägung der Fakten.

Hans Rudolf Keusen, Geologe und Mitglied der Begleitgruppe «Uferweg Wehrliau-Aarebad»